In einer Zeit, in der fast täglich neue Datenlecks Schlagzeilen machen, stehen IT-Sicherheitsteams – insbesondere in kritischen Organisationen, der Fertigungsindustrie und im Gesundheitswesen – unter enormem Druck. Es reicht heute nicht mehr aus, nur die eigene Infrastruktur zu härten; die größte Schwachstelle liegt oft außerhalb der eigenen Kontrolle: im leichtfertigen Umgang der Nutzer mit Passwörtern.
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Heute beleuchten wir eine besonders heimtückische Bedrohung, die genau dieses Problem ausnutzt und enorme Schäden anrichten kann: den Credential-Stuffing-Angriff.
Beim Credential Stuffing handelt es sich um eine Art Cyberangriff, bei dem gestohlene Kombinationen aus Benutzernamen und Passwörtern massenhaft und automatisiert gegen die Anmeldeformulare verschiedener Webdienste getestet werden.
Der Angriff basiert auf der Annahme, dass viele Nutzer dieselben Anmeldedaten für mehrere, unterschiedliche Konten verwenden. Die Angreifer nutzen dabei Anmeldedaten, die sie zuvor in Datenlecks (sogenannten Data Breaches) von oft weniger geschützten Websites erbeutet haben.
Stellen Sie sich vor, ein Dieb erbeutet einen Schlüsselbund aus einem kleinen, unsicheren Schuppen (das unsichere Datenleck). Anstatt nun das Schloss des Schuppens zu knacken, läuft der Dieb damit zu den Schlössern von Banken, Büros und Wohnungen (die gut geschützten Webdienste) in der Hoffnung, dass die Bewohner aus Bequemlichkeit den gleichen Schlüssel verwendet haben.
Die Wirksamkeit von Credential Stuffing beruht auf vier kritischen Faktoren, die den Angriff zu einer der größten Bedrohungen für moderne Organisationen machen:
Menschliches Verhalten (Passwort-Wiederverwendung): Dies ist die Achillesferse der digitalen Sicherheit. Eine Studie nach der anderen zeigt, dass ein erheblicher Prozentsatz der Nutzer identische oder sehr ähnliche Passwörter für eine Vielzahl von Konten verwendet – vom Online-Shop bis zur kritischen Unternehmensanwendung.
Verfügbarkeit von Anmeldedaten: Die schiere Menge an geleakten Datensätzen im Darknet, oft in Form sogenannter "Combo Lists" (Kombinationslisten), ist gigantisch. Nach jedem größeren Datenleck wächst dieser Fundus.
Automatisierung: Die Angriffe werden nicht manuell durchgeführt. Spezielle Bots und Skripte können Tausende von Anmeldeversuchen pro Minute gegen eine Vielzahl von Zielen starten, ohne dass die Angreifer physisch anwesend sein müssen.
Tarnung (Low-and-Slow-Angriffe): Im Gegensatz zu schnellen, offensichtlichen Angriffen können Credential-Stuffing-Kampagnen so konfiguriert werden, dass sie nur eine niedrige Anzahl von Versuchen pro IP-Adresse und Zeitfenster durchführen. Das erschwert die Erkennung durch herkömmliche Rate-Limiting-Maßnahmen (Begrenzung der Anmeldeversuche).
Gerade in Bereichen wie dem Gesundheitswesen (sensible Patientendaten), der Fertigungsindustrie (geistiges Eigentum, Produktionssteuerung) und kritischen Organisationen (Infrastruktur) stellt ein erfolgreicher Credential-Stuffing-Angriff ein enormes Risiko für die Betriebskontinuität und die Datensicherheit dar.
Obwohl beide Angriffsarten das Ziel haben, Zugriff auf ein Konto zu erlangen, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer Methode und Ausgangslage:
Merkmal |
Credential Stuffing |
Brute-Force-Angriff |
Ausgangsbasis |
Gültige Anmeldedaten aus einem anderen Datenleck. |
Keine bekannten Anmeldedaten. |
Ziel des Angriffs |
Ausnutzung der Passwort-Wiederverwendung. |
Erraten des unbekannten Passworts durch systematisches Ausprobieren aller möglichen Zeichenkombinationen. |
Geschwindigkeit/Effizienz |
Hohe Erfolgsquote, da die Passwörter bereits richtig sind. |
Sehr langsam und ineffizient (außer bei extrem schwachen Passwörtern). |
Wahrnehmung durch IT |
Sieht oft aus wie legitime Anmeldeversuche von echten Nutzern, erschwert die Erkennung. |
Deutlich erkennbar durch eine sehr hohe Anzahl fehlgeschlagener Versuche gegen ein einzelnes Konto. |
Kurz gesagt: Ein Brute-Force-Angriff ist der Versuch, ein unbekanntes Passwort zu erraten; Credential Stuffing ist der Versuch, ein bekanntes, aber an anderer Stelle gestohlenes Passwort wiederzuverwenden.
Die Abwehr von Credential-Stuffing-Angriffen erfordert eine Kombination aus technischen Kontrollen, organisatorischen Maßnahmen und der Sensibilisierung der Nutzer.
Technische Kontrollen
Implementierung von MFA (Multi-Faktor-Authentifizierung): Die effektivste Einzelmaßnahme. Selbst wenn Angreifer die korrekte Kombination aus Benutzername und Passwort besitzen, scheitern sie am zweiten Faktor (z.B. einem zeitbasierten Einmalpasswort oder einer biometrischen Bestätigung). Dies sollte überall dort, wo es möglich ist, zur Pflicht gemacht werden.
Fortschrittliche Bot-Erkennung und Rate Limiting: Nutzen Sie WAFs (Web Application Firewalls) und spezialisierte Bot-Management-Lösungen, um ungewöhnliche Anmelde-Muster, gezielte IP-Adressen-Rotation und das typische Verhalten von Credential-Stuffing-Bots zu erkennen und zu blockieren.
Überwachung und Blacklisting bekannter Leaks: Überwachen Sie öffentlich zugängliche oder über Abonnements erhältliche Listen von kompromittierten Anmeldedaten. Warnen oder sperren Sie Konten, deren Passwörter in einem aktuellen Datenleck aufgetaucht sind.
Abschaffung des Passworts: Setzen Sie auf zukunftssichere Methoden wie die passwortlose Authentifizierung (z.B. FIDO2/WebAuthn-Standards). Diese nutzen Kryptographie, um Anmeldedaten zu validieren, wodurch es keine geheimen Passwörter mehr gibt, die gestohlen und wiederverwendet werden könnten.
Organisatorische und Benutzer-Maßnahmen
Passwort-Richtlinien: Erzwingen Sie die Verwendung langer und komplexer Passwörter. Wichtiger noch: Verbieten Sie die Wiederverwendung von Passwörtern, indem Sie in Ihren Richtlinien auf die Verwendung von Passwort-Managern hinweisen oder diese zur Verfügung stellen.
Schulungen: Schulen Sie Mitarbeiter und Nutzer regelmäßig über die Gefahr der Passwort-Wiederverwendung und die Wichtigkeit der MFA.
Überprüfung von Fehlern: Achten Sie darauf, dass Fehlermeldungen bei der Anmeldung nicht verraten, ob der Benutzername existiert oder ob das Passwort falsch ist. Eine generische Meldung ("Anmeldung fehlgeschlagen.") erschwert das Scannen auf gültige Benutzernamen.
Credential Stuffing ist ein direkter Angriff auf die menschliche Bequemlichkeit und eine direkte Folge der immer häufiger auftretenden Datenlecks. Es nutzt eine fundamentale Schwäche – die Passwort-Wiederverwendung – aus, um Organisationen in Sektoren wie dem Gesundheitswesen, der Fertigungsindustrie und kritischen Infrastrukturen zu schädigen. Der Angriffsvektor ist besonders gefährlich, da erfolgreiche Zugriffe oft wie legitime Anmeldungen aussehen und die Schäden – vom Diebstahl geistigen Eigentums bis zur Gefährdung von Patientendaten – verheerend sein können.
Für IT-Spezialisten ist klar: Die reine Komplexität von Passwörtern reicht heute nicht mehr aus. Die Abwehr erfordert eine zweigleisige Strategie:
Die flächendeckende und verpflichtende Einführung von MFA ist die wichtigste Sofortmaßnahme zur Neutralisierung dieses Angriffstyps.
Langfristig müssen wir uns von der Abhängigkeit vom statischen Passwort lösen. Die Implementierung von Lösungen zur passwortlosen Authentifizierung (wie FIDO2) stellt den effektivsten Weg dar, die Angriffsfläche für Credential Stuffing endgültig zu beseitigen.
Indem Sie in fortschrittliches Bot-Management, konsequente Benutzeraufklärung und moderne Authentifizierungsmethoden investieren, erhöhen Sie die digitale Resilienz Ihrer Organisation erheblich und sichern Ihre kritischen Daten und Prozesse.